Subventionen: Ungerecht,überholt,überzogen

Dieter Potzel: „Ein sehr informativer Film“, höre ich gerade hier aus der ersten Reihe. Nun möchte ich als ersten hier auf dem Podium Herrn Holzbauer fragen. Es ging in dem Film um alte Rechtstitel, und Sie haben sich damit eingehender beschäftigt. Die Kirche sagt ja, diese Zahlungen wären gerechtfertigt, denn die Kirche sei ja 1803, in der Zeit Napoleons, enteignet worden. Ist das wirklich gerechtfertigt?

Matthias Holzbauer: Diese Zahlungen sind in keiner Weise gerechtfertigt. Denn erstens sind sie ungerecht, zweitens überholt, drittens überzogen und viertens kriminell. Doch im Einzelnen:

1. Die Zahlungen sind ungerecht: Wenn Sie die Diskussionen in den letzten Tagen und Wochen verfolgt haben, in denen es um die Enteignungen ging, die vor mehr als 50 Jahren in der DDR stattgefunden haben: Diese Enteignungen wurden vom Staat nicht entschädigt. Für Enteignungen jedoch, die 200 Jahre zurückliegen oder gar 400 Jahre – wenn man in die Reformationszeit geht, denn in protestantischen Gebieten werden die staatlichen Zahlungen an die Kirchen z.T. noch mit der Reformationszeit begründet –, dafür wird bis heute einfach gezahlt. Und das sogar ohne detaillierten Nachweis. Es gibt keine gesellschaftliche Gruppe in unserem Land, die nach so langer Zeit noch Entschädigungen erhält, und zwar ohne Nachweis – das gibt es nur bei der Vatikankirche und der Lutherkirche.

2. Diese Zahlungen sind überholt: Früher hatten wir die Staatskirche, heute sollte es eigentlich eine Trennung von Kirche und Staat geben. Doch diese Trennung ist, wie auch der Film zeigt, auf halbem Weg stecken geblieben. Schon in der Weimarer Zeit wurde dem Staat vorgegeben, die Trennung von Kirche und Staat voranzubringen, und das hieß auch, diese antiquierten Entschädigungszahlungen abzulösen oder aber festzulegen, wie und wann dies geschehen wird. Doch der Staat hat es bis heute nicht getan, obwohl dieser Auftrag im deutschen Grundgesetz steht.

Nun ist aber inzwischen doch etwas passiert – es ist nämlich die Geschäftsgrundlage für diese Zahlungen weggefallen. Denn vor 200 Jahren gab es bei uns in Deutschland noch den Konfessionszwang. Den aber gibt es heute nicht mehr. So gehört z.B. das gesamte Podium hier keiner Konfession mehr an. Das wäre vor 200 Jahren noch unmöglich gewesen, da musste man einer Konfession angehören – katholisch, evangelisch, jüdisch oder reformiert. Heute gehören nur noch zwei Drittel der Bürger einer Konfession an. Und wenn man genauer hinschaut, sind es nur noch etwa fünf Prozent, die regelmäßig in die Kirche gehen, also eine kleine Minderheit. Das aber bedeutet nichts anderes, als dass die Geschäftsgrundlage für diese staatlichen Zahlungen an die Kirchen längst entfallen ist.

3. Diese Zahlungen – selbst wenn sie gerechtfertigt wären – sind überzogen: Die Säkularisation bedeutete nämlich keine vollständige Enteignung der Kirchen, wie es von kirchlicher Seite immer behauptet wird. Denn die Pfarreien als die Grundlage der kirchlichen Organisation blieben bestehen, einschließlich ihrer Kirchenfinanzen, d.h. ihren Einnahmen und ihrem Grundbesitz. Enteignet wurden lediglich die Fürstbistümer und Fürstabteien – d.h. die geistlich-weltlichen Staaten – und größtenteils die Klöster. Diese Gebilde standen nämlich dem Aufbau eines modernen Flächenstaats im Wege. Historiker sind sich sogar darin einig, dass diese Gebilde auch einer Neu-Organisation der Kirche im Wege standen. Das räumen sogar kirchliche Historiker ein, weil die Kirche erst dadurch eine Chance hatte, sich ihren eigentlichen Aufgaben zu widmen – unabhängig von den staatlichen Aufgaben, die zuvor von vielen Geistlichen wahrgenommen wurden. [Mehr]


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