Wohin geht die Reise der Kirche?

Podiumsgespräch zum Papstbesuch
Wohin geht die Reise der Kirche?

“Bitte anschnallen und das Denken einstellen! Die Papst-Reise beginnt!“ Immerhin 130 Regensburger zeigten durch ihre Anwesenheit bei der Mahnmal-Veranstaltung wenige Tage vor Beginn der Benedetto-Rundfahrt, dass sie diesem von Medien und Politik vorgegebenen Motto nicht so ohne Weiteres Folge leisten wollten. Sie zogen es vor, sich mit dem Thema „Wohin geht die Reise der Kirche?“ zu beschäftigen.

Der illustrative Wegweiser auf dem vorher verteilten Handzettel musste zwar für die Ankündigungs-Anzeige in der Mittelbayerischen Zeitung weggelassen werden, ebenso der Hinweis auf die Homepage www.KirchenOpfer.de (es hätte ja von den Lesern jemand auf falsche Gedanken kommen können), doch ansonsten verlief die Veranstaltung in einem städtischen Saal (!) einigermaßen friedlich. Nur wenige, aber dafür ziemlich hitzige Papst-Verteidiger hatten sich hineingewagt.

Der Journalist und Buchautor Matthias Holzbauer ging in seinem Kurzreferat zunächst auf die geschätzten Kosten des Papstbesuches ein, die sich nach Berechnungen von Gerhard Rampp vom Bund für Geistesfreiheit, auf ca. 100 Millionen € belaufen. Natürlich zahlt den Großteil dieser Summe wieder der Steuerzahler, von dem allerdings ein Drittel schon aus der Kirche ausgetreten ist. Von Seite der Kirche wird gerne dagegengehalten, dass man ja so arm sei. Matthias Holzbauer widerlegte diese Aussage eindeutig: Die Kirchen in Deutschland haben ein Vermögen von ca. 500 Milliarden € und einen jährlichen Vermögenszuwachs. Allein die Zinsgewinne belaufen sich jährlich auf über 1 Milliarde €. Caritas und Diakonie sind in Deutschland der zweitgrößte Konzern nach Daimler Chrysler, aber größer als Telekom, Post und Bahn zusammen. Soziale Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten und Altenheime werden fast ausschließlich vom Staat finanziert.
In einem kurzen Gang durch die Geschichte zeigte Holzbauer die Entwicklung von den Urgemeinden bis zu der steinreiche Romkirche von heute auf. Sein Fazit: Das eine hat mit dem anderen kaum mehr etwas zu tun. Schon in der Frühzeit des Christentums rissen die „Hausmeister und Buchhalter“, Älteste (Presbyteroi, zu Deutsch „Priester“) und Aufseher (Episkopoi, „Bischöfe“) die Macht an sich und errichteten eine hierarchische Kirche, die der Nazarener nie wollte. Kulte und Zeremonien aus dem Heidentum wurden übernommen. So stammt der Titel „Papst“ aus dem Mitthraskult und der Zusatz „Pontifex Maximus“ bezeichnete zunächst den obersten Wächter des altrömischen Götterkultes und dann den Namen für den römischen Kaiser.

Matthias Holzbauer ging am Schluss seiner Ausführungen auf den Konflikt zwischen Bischof Müller und der Laienbewegung in Regensburg ein. Diözesanräte u.a. werden durch Bischof Müllers Erlass seit kurzem nicht mehr vom Kirchenvolk gewählt, sondern vom Bischof ernannt. Holzbauer zeigte auf, dass die Demokratiebewegung innerhalb der Kirche schon seit Jahrhunderten rückläufig ist. Vor 1000 Jahren wurde sogar der Papst noch von Klerus und Volk gewählt. Was wäre, wenn Bischof Müller sich heute einer solchen Abstimmung stellen müsste? Wer innerhalb der Kirche noch auf Reformen hoffe, der glaube wirklich hoch an katholische Wunder.

Der Kirchenkritiker Prof. Hubertus Mynarek antwortete auf die Frage „Wohin die Reise der Kirche gehe?“ mit der klaren Aussage: Sie geht immer in die gleiche Richtung, nämlich hin zu Macht und Geld. Die Kirche hat sich nur den Deckmantel der Religiosität übergestülpt. Im Katechismus wird dagegen klar verlangt, dass als letzte Instanz nicht das eigene Gewissen recht hat, sondern die Lehrmeinung der Kirche. So schiebt sie geschickt zwischen Mensch und Gott den Priester; und die Selbstständigkeit der Gläubigen auf ihrem Weg hin zu eigener Religiosität geht verloren. Sie werden abhängig. Das habe Jesus nicht gewollt. Er wollte keine Priester einsetzen.
Viele sagen Ratzinger hätte sich gewandelt. Aber dem sei nicht so. Nichts von seinen Dogmen und Verurteilungen hat er aufgehoben. Ratzinger, der früher ein „progressiver“ Theologe war, habe sich in dem Moment an die Hierarchie angepasst, als seine Karriere mit dem Lehrstuhl in Regensburg an ihren Endpunkt gekommen schien. Als Theologieprofessor hatte er noch die Ansicht vertreten, dass es sehr gefährlich sei, wenn der Papst sich „Heiliger Vater“ nenne. Heute lässt er selbst sich so betiteln. Ratzinger wurde Papst, weil er der beste Verteidiger der autokratischen katholischen Kirche ist und weil ihn das Opus Dei unterstützt, dieser mächtige, finanzstarke Geheimbund innerhalb der Kirche.

Diskussionsleiter Dieter Potzel, ehemaliger evangelische Theologe, stellte die Frage, was geschehen würde, wenn Jesus von Nazareth heute wieder käme. In der Kirche wäre kein Platz für Ihn. Man würde Ihn als „Sektierer“ brandmarken und alles daran setzen, auch seine berufliche Existenz als Zimmermann zu vernichten.

In der Diskussion wurde ein Konsens unter der Mehrheit der Teilnehmer erzielt, dass nur eine konsequente Trennung von Kirche und Staat und die Abschaffung aller Privilegien der Kirchen die Voraussetzung dafür schaffen können, dass jeder Mensch aus freier Entscheidung den Weg finden und auswählen kann, den er in weltanschaulicher Hinsicht gehen will. Allein die Fast-Monopolstellung der Kirchen bei den Sozialberufen macht dies für unzählige Mitbürger derzeit noch sehr schwer.


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