Steuern und andere Einnahmen der Kirche

Wie wird die Kirchensteuer verwendet?

Dieter Potzel: Ja, Herr Rampp, wenn man das so hört, da hat sich doch bei den Kirchenfinanzen eine ganze Menge Geld angesammelt. Aber wenn die Kirchen heute in die Öffentlichkeit gehen – man hat es ja auch im Film gesehen – dann vermitteln sie doch den Eindruck: Auch wir Kirchen haben wenig Geld: „Könnt ihr uns nicht noch mehr unterstützen?“

Sie sind einer der wenigen Experten, was die heutigen Einkünfte und das Vermögen der Kirche betrifft. Ich glaube, es gibt eine große Unkenntnis in der Gesellschaft über die Kirchenfinanzen und das finanzielle Gebaren der Kirchen. Sagen Sie uns doch einmal, wie es wirklich ausschaut.

Gerhard Rampp: Es geht im Wesentlichen um drei Punkte, nämlich: Wie wird die Kirchensteuer verwendet? Das ist ein Punkt, der nur diejenigen interessiert, die noch Mitglied der Kirche sind. Da ist festzustellen: Weniger als 10% der Kirchensteuer wird für öffentlich-soziale Zwecke verwendet. Rund 2/3 der Kirchensteuer wird verwendet für die Bezahlung der Pfarrer und das sonstige Kirchenpersonal, wobei hier nicht dabei sind die Caritas und das Diakonische Werk. Also nur die Kirche als Institution. Das ist der eine Punkt.


Finanzierung der kirchlichen Sozialeinrichtungen

Und dann der zweite Punkt: Wie werden eigentlich die kirchlichen Sozialeinrichtungen finanziert? Das ist nun etwas, was auch Konfessionsfreie, also Nicht-Kirchensteuerzahler, interessiert, dass z.B. kirchliche Krankenhäuser und Altenheime völlig ohne Kirchensteuermittel finanziert werden. Das wissen nur sehr wenige. Wir haben vorher in dem Film gesehen, Kindergärten werden zu etwa 7% aus der Kirchensteuer bezahlt. Selbst kirchliche Schulen werden im Durchschnitt zu etwa 90% aus staatlichen Mitteln finanziert. Die haben sich früher sogar ganz getragen, zu 100%, als noch jeder 11. im Schulpersonal Ordensangehöriger war. Denn für diesen hatte der Staat jeweils einen Pauschalbetrag gezahlt. Die Kirche hat aber diesem Pater oder dieser Nonne jeweils nur ein Taschengeld gegeben bei freier Kost und Logis, so dass sie mit dem Überschuss, den sie dadurch hatten, die Schule sozusagen für sich zum Nulltarif finanzieren konnten. Inzwischen geht es nicht mehr ganz so.


20.000.000.000,- € für Innerkirchliches pro Jahr!

Nun aber das Wesentliche: Wir haben im Film gehört: Rund 20 Milliarden € – das ist gerundet nach den Berechnungen von Dr. Carsten Frerk, der ja auch in dem Panorama-Beitrag erwähnt wurde – bekommen die Kirchen vom Staat insgesamt direkt und indirekt an Subventionen, an Zuwendungen und zwar für rein innerkirchliche Zwecke. Da sind also nicht die Zuwendungen für öffentliche Sozialeinrichtungen dabei. Diese sind, meine ich, im Prinzip nicht einmal in Zweifel zu ziehen, denn wenn die Kirche oder andere freie Träger sie nicht betreiben würden, dann müsste sie der Staat bzw. die Kommune betreiben. Das zähle ich gar nicht, obwohl hier natürlich auch deutlich wird: Die Kirchen nutzen die paar Prozent oder sogar bei Krankenhäusern die Null Prozent, die sie selber beisteuern, dazu, ihr kirchliches Arbeitsrecht anzuwenden. Das aber bedeutet z.B., dass, wer geschieden ist und wieder heiratet, fristlos entlassen wird – fristlos, d.h. die Kirche ist nicht einmal an Kündigungsfristen gebunden.

Die Einnahmen der Kirchen sind gewaltig: 20 Milliarden € Einnahmen durch Staatszuwendungen und 8½ Milliarden € durch Kirchensteuereinnahmen. Da nimmt es nicht wunder, wenn Norbert Feldhoff, einer der besten Finanzexperten der katholischen Kirche überhaupt (er war in der Erzdiözese Köln Finanzdirektor und eine Zeitlang auch Caritas-Direktor), sinngemäß sagte: Im Grunde genommen bräuchte die Kirche die Kirchensteuern überhaupt nicht!

Doch die Kirchensteuern sind der einzige Brocken, über den die Kirche überhaupt, wenn auch nur andeutungsweise, Rechenschaft ablegt. Ich habe dies sehr genau verfolgt seit Ende der 80er-Jahre. Ich habe meine Untersuchungen über Kirchenfinanzen sehr intensiv zwischen 1986 und 1998 angestellt und da habe ich festgestellt, dass seit Mitte der 90er Jahre die Kirchen selbst in diesen bescheidenen Angaben zur Verwendung der Kirchensteuern nicht mehr aufschlüsseln, wie viel davon für soziale Zwecke verwendet wird – vermutlich, weil es so verschwindend wenig ist. Die Kirchen haben wohl gemerkt, dass das in der Öffentlichkeit nicht gut ankommt, und verteilen die Beträge jetzt auf verschiedene Posten, so dass man sie jetzt nicht mehr so genau aufschlüsseln kann. Über ihre sonstigen Einkünfte geben die Kirchen überhaupt keine Auskunft, z.B. aus Zinsen, Dividenden, Mieten und Pachten. DER SPIEGEL hat vor einigen Jahren berichtet – und das blieb unbestritten –, dass die beiden Kirchen hier zusammen eine Summe einnehmen, die etwa ein Drittel dessen ausmacht, was die Kirchen bereits an Kirchensteuern einnahmen. Darüber aber wird überhaupt nichts gesagt, das fließt auch nicht in den üblichen Haushalt ein, sondern wird sozusagen gleich wieder zur Vermögensanlage oder zur Rücklagestärkung der Finanzen verwendet. Darüber erfährt der Normalbürger nichts.

Desgleichen ist es nahezu unmöglich, die Kirchenfinanzen exakt aufzuschlüsseln, denn wir haben in der katholischen Kirche jeweils nur eine Auskunft über die Einnahmen und Ausgaben auf Diözesanebene bzw. auf Landeskirchenebene in der evangelischen Kirche. Nun gibt es 27 katholische Diözesen und 24 evangelische Landeskirchen. Das sind 51. Tatsächlich gibt es aber insgesamt sage und schreibe 80.000 Körperschaften, das sind Pfarreien, das sind Kirchenstiftungen, das sind besondere Fonds, also 80.000 verschiedene Stellen, die Einnahmen haben oder über Vermögen verfügen. Das ist so kompliziert, dass nicht einmal die Kirchenfinanzexperten in ihrem eigenen Bereich darüber genau Bescheid wissen.

Dr. Carsten Frerk hat sich als Politologe über zwei Jahre die Mühe gemacht, das kirchliche Finanzgebaren zu untersuchen. Und sein Buch ist schon fast ein Standardwerk: »Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland« (Alibri-Verlag, ISBN-Nr. 3-932710-39-8). Er kam auf Zuschüsse von 20 Milliarden, das sind 20.000 Millionen, eine unvorstellbare Zahl. Vielleicht können wir aber soviel festhalten: Wenn der Staat diese Leistungen an die Kirchen, die er ja nun schon seit vielen Jahrzehnten leistet – wobei sich in den letzten zwei Jahrzehnten die Summen deutlich erhöht haben –, wenn der Staat diese Leistungen nicht an die Kirchen abgeführt hätte, dann wäre heute die Staatsverschuldung in Bund, Ländern und Gemeinden nur etwa halb so hoch. Das ist eine Zahl.

Eine zweite Zahl, die Sie sich merken können: Wir alle – egal, ob wir der Kirche angehören oder nicht – zahlen über unsere Steuern in etwa doppelt soviel an die Kirchen wie über die Kirchensteuer. Das heißt, wir alle werden mit dem doppelten Kirchensteuersatz zur Kasse gebeten und die Kirchensteuerzahler natürlich mit dem dreifachen Satz, denn die müssen noch einmal zahlen, nämlich die normale Kirchensteuer.

Dieter Potzel: Dankeschön, Herr Rampp. [Mehr]


Anmerkung In dieser von der Initiative "Mehr Geld für den Bürger" vorgelegten Tabelle sind die staatlichen Subventionen für kirchliche Sozialleistungen nicht enthalten. Vor allem dadurch (und durch verschiedene neu vorgenommene Schätzungen) ergibt sich eine Abweichung gegenüber der von Gerhard Rampp (in Anlehnung an Carsten Frerk) genannten Gesamtzahl von rund 20 Mrd. Euro.

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